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Die Überlieferung der Bibel im Mittelalter

Für die Überlieferung der Bibel im Mittelalter (ca. 500 - 1500) kommt gerade den Klöstern eine herausragende Bedeutung zu. Zum Anfang dieser Periode wurde ganz Mitteleuropa von einem dichten Netz von Klöstern überzogen. Von ihnen ging eine Fülle von geistigen und kulturellen Aktivitäten aus, die ihnen eine bedeutende Stellung sicherten. Nirgendwo sonst in Europa verfügte man über ein ähnliches Potential an Wissen, Gelehrsamkeit und Zeit.

So war es eine Frage der Zeit, daß die Klosterschulen sich zu Keimzellen aller Wissenschaften entwickelten. Doch das Hauptaugenmerk der Mönche galt vor allem der Heiligen Schrift. Sie wurde nicht nur fleißig gelesen, ausgelegt und kommentiert, sondern auch immer und immer wieder abgeschrieben.

Zunächst waren es Majuskelabschriften der Septuaginta beziehungsweise des griechischen Neuen Testaments, später dann, als die lateinische Bibel mehr und mehr Einzug in die Kirchen hielt, wurden Kopien der lateinischen Vulgata angefertigt. Seit der Zeit Karl des Großen (768 - 814) werden kleine Buchstaben verwendet, die sogenannten Minuskeln. Daneben kam die Kursivschrift in Gebrauch, eine reine Schreibschrift, bei der die einzelnen Buchstaben durch Verbindungsstriche zu Wörtern zusammengefaßt wurden.

Auf feinstem Pergament entstanden so Handschriften und Codices (Bücher) von überwältigender Schönheit. Herrliche Psalter, Evangeliare und Apokalypsenbücher, die mit lebendigen, buntfarbigen Bildern und wunderschönen Verzierungen ausgestattet sind, wurden angefertigt. Diese großartigen Werke - oftmals sehen sie aus wie gedruckt - legen dafür Zeugnis ab, daß Menschen an der Arbeit waren, die nicht nur mit überragendem Können, sondern in gleicher Weise auch mit viel Geduld und unendlicher Liebe zu dem Wort Gottes arbeiteten.

Viele Bibelabschriften entstehen

Später begannen die Schreiber die Arbeit zu rationalisieren. Ein Mönch diktierte den Text, und zehn oder sogar zwanzig andere schrieben das gehörte Wort nieder.

Es entstanden jetzt regelrechte- "Massenauflagen" von manchmal mehr als zwanzig Exemplare der Bibel oder einzelner Bibelbücher.

Doch brachte eine solche Praxis Nachteile mit sich, denn je - schneller man schrieb, desto - mehr Fehler schlichen sich ein Lesefehler, Schreibfehler und Hörfehler lassen so den Wert der Handschriften immer weiter absinken, und es entstand mit der Zeit ein Durcheinander von mannigfachen Abweichungen im Text, die zu entwirren erst unserer Zeit vorbehalten bleiben sollte.

Später waren es die gelehrten Mönche und Leiter an den Klosterschulen, die sich an Übersetzungen wagten. So wurden um 850 n. Chr. Teile der Bibel (Evangelien-Harmonien, Psalmen, Hohelied) von der lateinischen in die deutsche Sprache übersetzt. Allerdings waren die Übersetzungen sehr frei. Sie werden heutzutage sprachlich zu dem Schönsten gerechnet, was uns aus jener Zeit erhalten ist.

Charakteristisch für das ausgehende Mittelalter sind die Blockbücher, bei denen nicht nur die Abbildungen, sondern auch der Text spiegelverkehrt in Holzplatten geschnitten werden mußten. Sie verdanken ihre Entstehung dem Bestreben, eine billigere Vervielfältigungsform als die des Abschreibens zu finden, und man bediente sich dabei des Holzschnitts.

An erster Stelle unter den Blockbüchern stehen die "Armenbibeln", die "Bibliae Pauperum".
Der Aufbau dieser Bilderbibel ist sehr einfach. Jeweils eine Seite behandelt ein bestimmtes Thema. Im Mittelpunkt steht jedesmal ein Bild mit einem neutestamentlichen Geschehen, umgeben von Bildern, die alttestamentliche Begebenheiten zeigen, die in einem inneren Zusammenhang dazu stehen.

Allerdings haben die Armenbibeln ihren Namen nicht etwa daher, weil sie so billig gewesen wären, daß sich auch der Arme ein solches Buch hätte leisten können. Vielmehr waren die Leute des Volkes gemeint, denen die Kunst des Lesens und erst recht die Gelehrtensprache Latein fremd geblieben war. Diese hielt man in gelehrtem Hochmut für jene "Armen im Geiste", die Jesus im Evangelium nach Matthäus seligpries.

 

 

Wenzelsbibel