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Eine wahre Begebenheit mit einer unglaublichen Geschichte:

Georg Lennox war ein leidenschaftlicher Pferdedieb. Wiederholt wurde er wegen diesem Delikt verurteilt, und nun saß er von neuem im Gefängnis von Jefferson. Als Sträfling musste er in einem nahen Kohlenbergwerk arbeiten. Eines Tages schien ihm sein zugewiesener Arbeitsplatz gefährlich. Er meldete es dem Aufseher, der nach einer oberflächlichen Untersuchung erklärte, dass keine Gefahr bestehe und Lennox wieder an die Arbeit befahl. Lennox gehorchte, aber nach einer Stunde stürzte der Stollen zusammen und begrub den Sträfling. Nach einigen Stunden wurde er bewusstlos zu Tage gefördert und durch den Gefängnisarzt für tot erklärt. Man schaffte die Leiche in die Totenhalle des Krankenhauses und andern Tags erschien der Geistliche zur Beerdigung. Ein Krankenwärter befahl einigen Gefangenen, den Toten von den Brettern zu heben und in den Sarg zu legen. Einer fasste am Kopf, der andere an den Füssen, als der Träger am Kopfende stolperte, das Gleichgewicht verlor und den Verstorbenen fallen ließ. Der Kopf des toten Mannes schlug dröhnend auf den Boden, und zum größten Erstaunen und Schrecken aller Anwesenden hörte man einen tiefen Seufzer!

Man schickte sofort zum Arzt, und als dieser nach einer halben Stunde kam, hatte Lennox bereits nach einem Glas Wasser verlangt. Bei seiner Untersuchung fand man, dass ein Bein zweimal gebrochen und er auch sonst verletzt war. Er blieb noch sechs Monate im Krankenhaus und konnte dann wieder arbeiten.

Georg Lennox war, obwohl seine Führung im Gefängnis zu keinen Klagen Anlass gegeben hatte, seit diesem Geschehnis ein ganz anderer geworden. Sein stilles, freundliches Wesen fiel allgemein auf. Man munkelte allerhand von merkwürdigen Erlebnissen, die der Mann während seines Scheintodes gehabt hätte. Ich hörte davon und wünschte deshalb Lennox kennen zu lernen, um die seltsame Geschichte aus seinem eigenen Munde zu hören. Der Gefängnisvorsteher gab mir die Erlaubnis, und Lennox erzählte mir folgendes:

„Den ganzen Morgen hatte ich das Gefühl, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Ich wurde so unruhig, dass ich zu meinem Vorgesetzten ging, ihm sagte, wie mir zumute sei und ihn bat, doch meinen Stollen, in dem ich arbeitete, nachzusehen. Er kam, machte scheinbar eine Untersuchung und wies mich wieder zur Arbeit, schroff bemerkend, dass ich wohl nicht mehr ganz gescheit sei. Ich fing wieder an zu arbeiten, bis es nach einer Stunde plötzlich dunkel um mich wurde.
Dann schien es mir, als ob sich ein großes, eisernes Tor öffne, durch das ich hindurchgehen musste. Mir kam der Gedanke, dass ich tot und in einer anderen Welt sei. Ich konnte niemand sehen und auch nichts hören. Ich entfernte mich von dem Tor und kam an die Ufer eines breiten Flusses, wo ich das Plätschern von Rudern im Wasser hörte. Bald kam jemand in einem Boot an die Stelle, wo ich stand. Ich war sprachlos.
Die finstere Gestalt sah mich an und sagte, dass er mich holen wollte. Ich sollte in das Boot kommen und hinüberrudern. Ich gehorchte. Kein Wort wurde gesprochen. Ich wollte ihn fragen, wer er sei und wo ich wäre, aber meine Zunge klebte mir am Gaumen; ich konnte nicht reden.
Endlich kamen wir hinüber. Ich stieg aus, und der unheimliche Fährmann verschwand. Ich war allein. Was sollte ich jetzt tun? Vor mir führten zwei Wege durch ein dunkles Tal. Der eine war ein breiter Weg, und viele schienen darauf gegangen zu sein. Der andere war schmal und führte in einer anderen Richtung. Instinktiv folgte ich dem breiten Weg. Ich war noch nicht weit gegangen, als es noch dunkler zu werden schien. Ab und zu blitzte ein Licht in der Ferne auf. So fand ich meinen Weg.
Plötzlich begegnete mir ein Wesen, das ich nicht beschreiben kann. Es war eine furchtbare Erscheinung. Es ähnelte einem Menschen, war aber viel größer. Es hatte anscheinend große Flügel auf seinem Rücken, war kohlschwarz, vollkommen nackt und hatte einen Speer in seiner Hand. Seine Augen glänzten wie Feuerbälle. Die Nase, wenn man es eine Nase nennen konnte, war groß, breit und platt. Das Haar war grob, schwer und lang. Es hing auf die mächtigen Schultern herab.
Seine Stimme glich mehr dem Gebrüll eines Löwen als der eines Menschen. Während eines Lichtblitzes sah ich dieses Ungeheuer zum erstenmal. Ich zitterte wie Espenlaub bei seinem Anblick. Es hatte den Speer erhoben, als wollte es mich damit durchbohren. So blieb ich plötzlich stehen. Mit jener entsetzlichen Stimme, die ich heute noch zu hören meine, befahl mir das Ungeheuer, ihm zu folgen und erklärte, mir als Führer für die Reise geschickt zu sein.
Ich folgte. Nach einiger Zeit schien sich ein großer Berg vor uns zu erheben. Auf der steilen Wand sah ich ganz deutlich die Worte: <Die Hölle!> Mein Führer näherte sich der senkrechten Wand und schlug dreimal mit dem Speer dagegen. Ein großes, gewaltiges Tor öffnete sich, und wir schritten hindurch.
Dann wurde ich durch einen Gang geführt. Wir wanderten in ägyptischer Finsternis. Ich hörte nur die schweren Fußtritte meines Führers, so konnte ich ihm folgen. Auf dem Wege vernahm ich tiefe Seufzer, als ob jemand im Sterben liege. Je weiter wir schritten, desto mehr Seufzer hörte ich. Ich konnte ganz deutlich den Schrei nach Wasser hören.
Wir schritten durch ein weiteres Tor, und nun schien ich Millionen von Stimmen in der Ferne zu hören. Alle schrieen nach Wasser. Wieder klopfte mein Führer an eine Tür, und ich fand, dass wir durch den ganzen Berg gegangen waren. Vor uns lag eine weite Ebene.
Hier verließ mich mein Führer, um andere Unselige an diesen Bestimmungsort zu bringen. Ich blieb allein, bis ein zweites Wesen, dem ersten ziemlich ähnlich, zu mir kam. Aber an Stelle eines Speeres trug dieses ein gewaltiges Schwert. Er verkündigte mir mein zukünftiges Los. Er sprach mit einer Stimme, die meiner Seele Entsetzen einflösste. “Du bist jetzt in der Hölle”, sagte er. “Lass alle Hoffnung fahren! Auf dem Wege durch den Berg hierher hörtest du das Seufzen und Schreien der Verlorenen, die nach Wasser schreien, um ihre brennenden Zungen zu kühlen. In jenem Gang ist eine Tür, die in den Feuersee führt. Das wird bald dein Teil sein. Ehe du aber an jenen Ort der Qual kommst, aus dem es kein Entrinnen gibt, kannst du hier aus der Ferne ansehen, was du hättest gewinnen können, wenn du dich der Bekehrung nicht entzogen hättest; nun ist es dir auf ewig verloren gegangen!”
Damit wurde ich allein gelassen. Ob es eine Folge des entsetzlichen Schreckens war, den ich erlebt hatte, weiß ich nicht, jedenfalls wurde ich ganz betäubt. Eine Lähmung schien über mich gekommen zu sein. Meine Kraft verließ mich, meine Glieder trugen meinen Körper nicht länger. Als hilflose Masse sank ich zusammen. Eine Schläfrigkeit kam über mich. Im Halbschlaf schien ich zu träumen.
Weit von mir sah ich in der Ferne die schöne Stadt, von der wir in der Bibel lesen. Wie wunderherrlich waren die Mauern aus Edelsteinen. In der Ferne sah ich weite Ebenen voll schöner Blumen. Auch sah ich den Strom des Lebens und das gläserne Meer. Unzählige Scharen von Seligen gingen durch das Tor der Stadt. Sie sangen herrliche Lieder. In ihrer Mitte sah ich auch meine liebe alte Mutter, die vor einigen Jahren an gebrochenem Herzen über meine Gottlosigkeit gestorben war. Sie sah zu mir herüber und schien mir zu winken, aber ich konnte mich nicht bewegen. Es schien ein bleiernes Gewicht auf mir zu liegen, das mich zurückhielt. Jetzt erhob sich ein sanfter Wind und wehte den Duft der lieblichen Blumen zu mir herüber. Deutlicher denn je konnte ich den wunderbaren Gesang der Seligen hören, und ich sagte: <0, könnte ich einer in jener Schar sein!>

Als ich so aus diesem Becher der Seligkeit trank, wurde er mir plötzlich entrissen. Aus meinem Schlaf wurde ich aufgeschreckt. Wieder wurde ich von einem unheimlichen Wesen aus diesem lieblichen Anblick in die furchtbare Wirklichkeit zurückgebracht. Es wurde mir gesagt, dass ich jetzt meiner endgültigen Bestimmung zugeführt würde.
Wieder betraten wir den finstern Gang. Nach einiger Zeit öffnete sich eine Seitentür, und siehe, vor mir lag der Feuersee. So weit das Auge reichte, dehnte sich ein Meer von Feuer und Schwefel. Gewaltige Feuerwellen rollten übereinander, und große Wogen feuriger Flammen schlugen gegeneinander und spritzten hoch in die Luft wie die Wellen des Meeres im mächtigen Sturm. Auf den Köpfen der Wellen sah ich Menschenwesen sich erheben, um dann wieder in die tiefsten Tiefen dieses entsetzlichen Feuersees hinuntergerissen zu werden. Wenn sie oben auf den Wellen lagen, fluchten sie in entsetzlicher Weise und stießen herzzerreißende Schreie nach Wasser aus. Das weite Feuermeer widerhallte von dem Stöhnen dieser Verlorenen.
Ich drehte mich um und besah mir die Tür, durch die ich gekommen war. Da las ich die fürchterlichen Worte: «Dies ist dein ewiges Los, die Ewigkeit hat kein Ende». Mit einem Male fühlte ich, wie der Boden unter meinen Füssen wich, und ich sank in den Feuersee. Ein unbeschreiblicher Durst ergriff mich.

Ich schrie nach Wasser — als meine Augen sich im Krankenhaus des Gefängnisses öffneten. —Dieses Erlebnis habe ich umfassend noch keinem vorher erzählt aus Furcht, dass der Gefängnisbeamte mich für irrsinnig erklären und ins Irrenhaus bringen könnte. Aber ich habe das alles erlebt und bin sehr froh, dass ich noch nicht gestorben bin. Heute weiß ich, es gibt einen Himmel und es gibt eine Hölle.
Auch eins weiß ich, dass ich nie mehr in die Hölle kommen werde.
Sobald ich meine Augen im Krankenhaus öffnete und fand, dass ich lebte und noch auf Erden war, habe ich sofort mein Herz Gott gegeben. Ich fand Heil und Frieden in dem Blute des Christus. Die entsetzlichen Anblicke der Hölle können nie mehr aus meinem Gedächtnis verwischt werden, aber auch nicht die schönen Dinge des Himmels, die ich sah. Ich werde meine liebe alte Mutter wiedersehen! 0, der Gedanke, dass ich noch einmal an den Ufern jenes Lebensstromes werde weilen dürfen, um mit jenen Seligen meinen Erlöser und Heiland, Jesus Christus, zu preisen, das ist mehr als was Pferde, die ich so leidenschaftlich liebte, ja, was die ganze Welt mir zu bieten vermag! Ich habe nur noch einen Wunsch: dem Lamme nachzufolgen, wohin irgend dasselbe mich führen mag.”

Alles wirklich nur ein Traum?

Traktat-Serie: .Was dünkt dich von Christus?. No. 76
Verlag: R. Müller-Kersting, Zürich 49 - Höngg, Limmattalstrasse 28
Printed in Switzerland by Ernst lost & Gie., Hünibach am Thunersee